26.04.2022 - Michael Atug ist Gründer und Inhaber der MAW Werkzeuge GmbH. Seit 2001 zeigt er der Branche, wie man Maschinen und Werkzeug im B2B- und B2C-Geschäft erfolgreich über Marktplätze und den eigenen Webshop vertreibt. Auch sonst ist er sehr umtriebig. Atug veranstaltet unter anderem den „Multichannel Day“ und betreibt die Facebook-Gruppe „Multichannel Rockstar“. Doch den Grundstein zu seinem Erfolg hat er mit Print-Mailing-Aktionen, etwa zur Neukundengewinnung, gelegt. Wie's dazu kam und wie die Resonanz war, das verrät Atug hier im Interview.
Michael, Du sagst ja immer, für Dich ist jedes Business Rock'n'Roll. Aber sorry, Deine Branche, der Maschinen- und Werkzeughandel, klingt jetzt nicht gerade sexy. Wie bringt man da Feuer und Leidenschaft rein?
Wenn man selbst brennt, kann man jedes Business zum Lodern bringen. Ich bin generell der Typ Mensch, der sich für ganz vieles begeistern kann und gerne anpackt. Der Satz: „Macher kommt von machen“ könnte glatt von mir stammen (lacht).
Du hast früh das Potenzial von Print-Mailings erkannt. Wie kam's dazu?
Ganz einfach - als ich 1995 anfing, gab es ja nichts anderes, um potenzielle Kunden zu erreichen. Ich hätte sonst alle Betriebe durchtelefonieren müssen, um zu fragen, ob sie Interesse an diesem oder jenem Werkzeug hätten. Puh, das wäre eher ein mühsames Geschäft gewesen. Alternativ hätte ich im näheren Umkreis Handzettel verteilen können, doch das war mir zu klein gedacht. Ich wollte ein größeres Rad drehen.
Wie sah die erste Aktion aus?
Ich habe 10.000 Werbebriefe an B2B-Kunden verschickt. Das war echt teuer. Meine Eltern, gebürtige Aramäer, liehen mir Geld für den Start, 15.000 D-Mark. Über 10.000 davon gingen für das Mailing drauf. Das war vor 27 Jahren eine riesige Summe. Sie konnten es gar nicht fassen, dass ich für die simple Versendung von Werbebriefen so viel Geld einsetzen wollte. Meine Eltern dachten, ich sei wahnsinnig geworden.
Und haben Dir das Geld trotzdem geliehen?
Ja, mein Potenzial als Kaufmann war früh erkennbar (lacht herzhaft). Als Junge habe ich mal auf dem Flohmarkt einen Typen, der aus einem leeren Waschmitteleimer heraus Spielzeugautos verkauft hat, gefragt, was er für die ganze Box mit zirka 50 Autos möchte. Wir haben uns auf 10 Mark geeinigt. Dann habe ich die Spielzeugautos aus der Trommel genommen, sie sortiert und auf der Decke übersichtlich drapiert. So konnte jeder gleich sehen, ob sein Lieblingsmodell dabei ist. Preis pro Stück: 3-4 Mark (grinst von einem Ohr zum anderen).
Kein schlechter Schnitt! Wie lief denn Deine Print-Mailing-Aktion aus kaufmännischer Sicht? Hat es geklappt mit der Neukundengewinnung?
Das war Wahnsinn! Ich kann mich noch erinnern, wie das erste Fax reinkam. Oben stand in dicken Lettern „Auftrag“ und darunter folgten diverse Positionen. Mann, habe ich gejubelt! Es sollten dann noch viele weitere Aufträge folgen. Ich habe darüber Buch geführt und die Spanne zwischen Einkauf, also EK, und VK - Verkauf - eingetragen. Bereits an Tag 19 habe ich den Breakeven erreicht. Und da war noch lange nicht Schluss. Das ging mit den Bestellungen noch Monate gut weiter.
Im Marketing spricht man ja gern von „Conversion Rate“. Wie war die bei Dir?
Das kann ich heute natürlich nicht mehr genau sagen, nur so viel: Die war wirklich brutal! Das eingesetzte Geld habe ich vielfach wieder reingespielt. Mit diesem ersten Print-Mailing und einem weiteren Kredit von der Volksbank in gleicher Höhe, insgesamt also 30.000 D-Mark, habe ich mein Vermögen aufgebaut und bin so zum Selfmade-Millionär geworden.
Bist Du in Sachen Print-Mailing Wiederholungstäter?
Ja, ich habe diese Aktion jedes Jahr einmal gemacht. Zwischendurch war mal Pause, weil ich mein E-Commerce-Geschäft gestartet habe, das eine Weile meine volle Aufmerksamkeit erfordert hat. Aktuell ist wieder eine neue Kampagne in Planung.
Was würdest Du allen raten, die sich erstmals auf so eine Werbebrief-Aktion einlassen?
Man sollte viel Zeit in die Planung investieren. Und vor allem nichts anbieten, was es an jeder Ecke gibt. Das Angebot sollte so spezialisiert sein, wie möglich. Ich nehme mal das Beispiel Angeln. Es reicht nicht, einfach einen Prospekt zum Thema „Angeln“ zu verschicken. Das muss man individueller angehen. Wer einen Shop für Anglerbedarf hat, weiß durch vorangegangene Bestellungen genau, wer beispielsweise Raubfischangler ist. Dann muss ich mir nur noch überlegen, welches Zubehör für diese spezielle Unterart des Angelns gebraucht wird. Wenn ich als Kunde dann einen Katalog zum Thema „Raubfischangeln“ bekomme und da noch ein cooles Foto auf dem Umschlag ist, dann freu ich mich doch wie Bolle. Ich leg mir den Prospekt auf den Sofatisch und schau da auf jeden Fall rein.
Neben Deinem Herzensthema Print-Mailing wirbst Du auch stark dafür, dass jeder Online-Händler mehrere Marktplätze nutzen sollte. Deine Facebook-Gruppe „Multichannel Rockstar“ hat über 13.000 Mitglieder. Du bist sozusagen der „Nutzt mehr als nur einen Marktplatz“-Evangelist. Warum ist das so wichtig?
Ich war tatsächlich der erste, der gemahnt hat, dass es gefährlich ist, nur auf einem Bein zu stehen. Amazon ist klasse, hat aber inzwischen ganz schön viel Macht. Man muss sich nur vorstellen, was passiert, wenn man dort gesperrt wird. Deshalb ist es wichtig, sich breit aufzustellen und auch auf Marktplätzen wie Ebay, Kaufland oder Otto präsent zu sein. Und natürlich den eigenen Shop zu betreiben. Da ist man selbst Chef im Ring. Ja, das Thema Multichannel liegt mir wirklich am Herzen, dazu veranstalte ich auch in diesem Jahr wieder den „Multichannel Day“ im Kölner RheinEnergie Stadion.
Zurück zur Werbung: Du bist ja längst selbst eine Marke! Musst Du denn überhaupt noch für Deinen Shop trommeln?
Wenn Du nicht im Gespräch bleibst, bist Du schneller weg, als Du gucken kannst. Man wird sehr rasch vergessen. Also ja, ich werbe noch!
Und zwar auf welchen weiteren Kanälen?
Ich bin klassisch bei Google, Facebook, Amazon unterwegs und schalte regelmäßig Ads. Als Online-Händler kommt man da auch gar nicht mehr drum herum. Aber ich kann nur empfehlen, auch mal ein paar Euro in die Hand zu nehmen und Print-Mailings zu machen. Ganz ehrlich, man wird ja ständig mit Online-Werbung beballert. Mit so einem individuellen haptischen Schreiben, das im Briefkasten landet, hebt man sich auf jeden Fall von der Masse ab.
Schauen Sie sich jetzt das Video-Interview mit Michael Atug an.